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Mango lässt den Algorithmus über Outfits entscheiden

MANGO LANCIERT MANGO STYLIST, SEINEN NEUEN KI-GESTÜTZTEN MODEASSISTENTEN.

Als wäre das Outfit nicht ohnehin schon ein Code aus Farben, Silhouetten und Referenzen, bringt Mango nun den Algorithmus als Co-Stylist ins Spiel. Mit dem Launch von „Mango Stylist“ zieht die spanische Marke eine weitere Grenze zwischen menschlicher Intuition und maschineller Optimierung ein. Das Tool, das in neun internationalen Märkten aktiv ist und ausschließlich der Womenswear-Linie gewidmet wurde, verspricht: personalisierte Looks per Chat, auf Basis individueller Vorlieben, aktueller Trends und generativer KI.

Phygital Fashion: Wo Onlineshop und Stilberatung verschmelzen

Der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Mode ist keineswegs neu, doch Mango geht einen entscheidenden Schritt weiter. Wo Konkurrenten wie Zalando oder H&M ihre Recommendation Engines meist auf vergangene Käufe oder Standardmetriken wie Farbe und Größe stützen, setzt Mango auf ein hybrides Interface: „phygital“ im besten Sinne. Kundinnen erhalten Vorschläge nicht nur via Website, sondern auch über Konversationen – als wäre der Stylist im direkten Austausch, nur eben digital.

Diese neue Nähe wirkt zuerst charmant. Doch wie sehr kann ein Chatbot modische Bedürfnisse deuten, die nicht auf Klicks oder demografischen Parametern basieren, sondern auf Affekt, Kontext und sozialen Codes? Wer entscheidet, ob ein asymmetrischer Rock gerade ein Stilbruch oder ein Missgriff ist? Genau hier zeigt sich das Dilemma algorithmischer Stilberatung: Sie ist effizient, aber nicht empathisch. Sie erkennt Muster, aber keine Haltung.

Was Mango anders macht als Zalando, Farfetch & Co.

Farfetch experimentierte bereits 2021 mit KI-gestütztem Visual Merchandising, Zalando künstelt seit Jahren an Machine-Learning-Prozessen, die dem „Style Profile“ Form geben sollen. Doch die Vision, ästhetische Intelligenz zu automatisieren, bleibt ein Balanceakt. Besonders bei Sizing zeigt sich die Grenze maschineller Logik: Auch wenn Mango an interner Digitalisierung der Wertschöpfungskette arbeitet – vom Design bis zur Distribution – bleibt die Passform ein menschliches Erfahrungsprodukt. KI kann vermuten, aber nicht fühlen, wo ein Bund spannt oder ein Stoff fällt.

Was ist „Phygital Fashion“ ?

Der Begriff phygital setzt sich aus „physical“ und „digital“ zusammen und beschreibt hybride Erlebnisse, die physische und digitale Elemente nahtlos miteinander verknüpfen. 

In der Mode bedeutet das: Kund:innen entdecken, kaufen oder interagieren mit Fashion-Produkten simultan online und offline - etwa über virtuelle Umkleidekabinen, QR-Codes in Stores oder, wie bei Mango Stylist, über KI-gestützte Stilberatung in Social-Media-Chats. Ziel ist ein immersives, kanalübergreifendes Markenerlebnis mit maximaler Personalisierung.

Mango macht Tech zum Trend

Gleichzeitig ist der Mango Stylist Ausdruck eines größeren Strategiewechsels. Die Marke, einst als Fast-Fashion-Alternative zu Zara positioniert, strebt mit dem 4E-Strategieprogramm eine Neudefinition als tech-savvy Lifestyle Brand an. Mit Plattformen wie „Inspire“ für Designinspiration und „Lisa“ für interne Prozesse wird das Unternehmen zur digitalen Denkfabrik. Technologie wird hier nicht als Hilfsmittel, sondern als Haltung inszeniert.

Tech-Branding ersetzt zunehmend die klassische Modekampagne: Statt Supermodels prägen heute Chatbots, Plattformnamen und Datennarrative das Markenimage. Die KI wird zur Ikone, zumindest solange sie trendy bleibt. Auf TikTok kursieren bereits Videos, in denen Nutzerinnen ihre AI-Looks entlarven: zu generisch, zu glatt, zu vorhersehbar. Die Individualität, die versprochen wird, wirkt oft wie aus dem Baukasten.

Was der KI-Stil nicht abbildet

Gerade darin liegt der größte Kritikpunkt. Wo bleibt der Raum für Subversion, für kulturelle Diversität oder für Anti-Ästhetik? Stil ist auch eine Form der Reibung, nicht nur der Relevanz. Ein Algorithmus, trainiert auf Durchschnitt und Konsens, neigt zur Glättung. Subkulturelle Codes, queere Perspektiven oder gar nonkonforme Körperformen finden darin selten statt. Die Idee von „Stil“ wird auf eine Serie von vordefinierten Parametern reduziert, die nicht nur Mode, sondern auch Identität homogenisieren.

Doch trotz aller Kritik: Mango hat mit dem Stylist einen Nerv getroffen. Zwischen Chat-Interface und Stilvorschlag spiegelt sich ein Zeitgeist, der Mode nicht mehr als Kunstform, sondern als Service versteht. Das kann bequem sein, oder aber auch beunruhigend. Ob der Algorithmus wirklich besser weiß, was gut aussieht, bleibt offen. Sicher ist nur: Er wird es weiter versuchen.

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